verfügbaren Fragen zu seinem Change zu löchern, um daraus ein großes Angebot mit 50 Beratertagen formulieren zu können, sondern mit einem Workshop zu beginnen und zu erleben, wie das erste gute Gefühl in der Zusammenarbeit gestärkt wird und Vertrauen entsteht, um gemeinsam weiterarbeiten zu können. „Agil“ hat im vorliegenden Fall dann für die spätere Roadmap bedeutet, dass wir iterative Schleifen eingebaut haben, um immer weiter auf ein nächstes Entwicklungslevel zu kommen, und dass wir parallel dazu weitere Schritte begonnen haben. Dazu gehörte etwa die Entwicklung von einem neuen Führungsverständnis – passend zum New Work- Verständnis der Firma – und die Klärung der vielfältigen künftigen Rollen sowohl auf Teamleiter-, Prokuristen- und Geschäftsführer-Ebene. Diese Rollenklärung passierte auch für den internen Change und wurde dadurch schnell in die vorhandenen Teams hineingetragen. Wir halten also nicht so viel davon, sofort an die Neuordnung von Strukturen und Prozessen zu gehen – das ist eher klassisches, betriebswirtschaftlich- getriggertes Beraterdenken. Agil zu werden, beginnt vielmehr beim neuen und anderen Aufsetzen von Projekten, damit verbundenen neuen und anderen Vorgehensweisen und den Rollen. Natürlich reflektieren wir die bestehenden Strukturen und Prozesse und wo diese an ihre Grenzen kommen, heute schon oder in Zukunft. Oft reicht es schon, wenn man in einem Projekt oder in einer Abteilung zusammen vor einem Board steht und sich klar darüber wird, welche Aufgaben anstehen, wer sie bis wann macht und wo es üblicherweise zum Stocken kommt – sogenanntes „Stand-up“. Dabei stellt man dann fest, dass die Beschäftigten oft schon um die Handlungsbedarfe und Aufgaben wissen, dass sich nur keiner getraut hat, diese offen anzusprechen. Man stellt außerdem fest, dass der Teamleiter, der dabei steht, froh ist über die nun entstehende Transparenz. Was er aber in diesem Zusammenhang dann lernen muss, ist, nicht den Schuldigen zu suchen oder per se die eigene Meinung durchzusetzen, sondern an einer gemeinsamen Lösung des Problems zu arbeiten. Oft stellen wir dann fest, dass es für die Mitarbeitenden ein neues Erlebnis ist, entsprechend ihrer Kompetenzen Aufgaben vom Board eigenverantwortlich zu übernehmen, dazu vor allem auch ermutigt zu werden, und zu sagen: „Ich kümmere mich drum – bis Freitag habt Ihr ein Ergebnis“. Und die Runde merkt, dass es durch die Zusammenschau der Aufgaben einfacher ist als bisher, die Zusammenhänge und die gegenseitigen Abhängigkeiten zu erkennen, systemisches Denken zu üben, Folgen gemeinsam abzuschätzen, in realistischen Zeiträumen zu denken. Apropos Zeit: Häufig wird ja mit der Aussage „Wir haben keine Zeit” die mangelnde Zeit bemüht, um Aufgaben abzulehnen oder zu verschieben. Das bekommt jetzt durch die öffentliche Schätzung des zeitlichen Aufwands und der gemeinsamen Orientierung eine andere Wendung: „Welche Aufgaben sollten wir wohin legen, damit eine Bearbeitung möglich ist?“ Verantwortung und dadurch Führung übernehmen alle und nicht mehr nur der Projektleiter oder der mittlere Manager, dem noch schnell ein zusätzliches Change-Projekt aufgedrückt worden ist. DIGITAL FUTUREmag: Wie können Unternehmen einen kollaborativen Veränderungsprozess initiieren und sicherstellen, dass alle beteiligten Stakeholder aktiv eingebunden werden? Frank Kühn: Die Unternehmen sollten sich nicht auf übliche Change-Konzepte, Rezepte oder schnelle Antworten verlassen, sondern sich selbst fragen: Woher habe ich Signale, dass wir uns anpassen oder sogar radikal verändern sollten? Vertraue ich denen, die die Signale aufgenommen oder weitergeleitet haben – beispielsweise von Kunden? Worum geht es dabei? Warum gerade jetzt? Wohin wollen und sollten wir gehen? Was soll nachher anders sein als jetzt? Und wo fangen wir an? Dafür haben wir ein hilfreiches Frageraster entwickelt. Über unsere Website downloadbar. Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, gemeinsam mit den jeweils betroffenen Menschen daran zu arbeiten, wohin es gehen soll, wie der Weg dahin aussehen soll, welche Zwischenergebnisse oder Lernschritte benötigt werden, um Erfolg zu haben. Unser Methodenkoffer umfasst sowohl bewährte Modelle und Vorgehensweisen wie BusinessCanvas oder das Rollenmodell von Moreno als auch relativ neue; hier sei exemplarisch Delegationspoker genannt. Gemeinsam zu arbeiten meint nicht nur die Internen und die Externen, sondern auch die Zusammenarbeit über die Unternehmensfunktionen und die vorhandenen Hierarchieebenen hinweg, die wertschätzende Verständigung zwischen den Vorstellungen der Jüngeren und den Erfahrungen der Älteren. Das ist eine Herausforderung, wenn allein darüber berichtet wird, dass 30 Prozent der jungen Leute die Unternehmen innerhalb der ersten Monate enttäuscht wieder verlassen. Über das www.digital-futuremag.de 43